Der SchluchtClan
»Träume nicht dein Leben, sondern lebe deinen Traum«

☆Brisen des Schmerzes

Brisen des Schmerzes
~Phantomschatten 


1 Kapitel
Ich blickte in den großen, eckigen Spiegel, der am Ende meines Zimmers aufgehängt war. Ich trat so nah an ihn herran, das mein warmer Atem den Spiegel beschlug. Ich strich mir mit meinem dünnen Zeigefinger über meine blas-roten Lippen, die matt und vertrocknet im Vergleich zu meiner bräunlich, glatt und sanft wirkendenden Haut war. Ich blickte in die Augen des im Spiegel erschienenen Wesens, die klein und von einem gleichmäßigem Braun waren. Nun betrachtete ich die über den Augen liegenden, wie meine Haare leicht braungefärbten Augenbrauen, die schön geformt waren. Meine dicken, leicht rötlichen Wangen waren auf der linken Seite mit einem kleinen Leberfleck oberhalb der Lippe geziert. Nun berührte ich meine weichen kräftigen Haare, die mir etwas über die Schultern reichten. Ich strich mir eine Haarsträhne hinter mein Ohr und ging weiter… mein Körper war schlank gebaut, nur meine Schenkel wichen von der zarten Baukunst ab, ebenfalls meine Hüften, die mit der Zeit an breite und runde gewannen. Ich drehte mich, um mich von hinten zu begutachten, dabei fiel mir auf, das mein ganzer Körper von zarten Leberflecken gezeichnet war. Überhaupt war mein ganzer Körper von Pikmentflecken geziert, die mich jedoch nicht weiter störten. Ich konnte mir nicht vorstellen, das das hier das Fenster zu mir, meinem Charakter und meinem Herzen seien sollte, wie es alle immer sagten. Würde dieses eine Gefühl jemals nachlassen? Dieses Gefühl von unglaublicher Leere die man nie füllen konnte… Es heißt, Zeit würde Wunden heilen, doch das tat sie nicht, zumindest nicht bei mir, denn je mehr Zeit verstrich, desto mehr viel auf das etwas fehlte, das sie fehlte. Denn ich erinnerte mich immer mehr an die einzelnen schönen Momente, die ich mit ihr verbracht hatte und es wurde immer mehr Realität das sie gestorben war, das sie Tod war, das sie nie wieder kommen würde, das ich sie nie wieder sehen würde und das mein Verlangen sie zu sehen wie ein unmöglicher tiefer Wunsch war. „Warum musstest du gehen als ich dich am meisten gebraucht habe?“ schluchzte ich im Stillen und hoffte das es irgentjemand hören würde. Meine Mutter hatte meinen Vater betrogen und uns verlassen, mein Vater hat danach versucht meiner Mutter das Leben zur Hölle zu machen indem er mich bequatschte und ich dadurch keinen Kontakt zu ihr wollte. Er wurde aggressiv und schrie oft. Nach 3 Monaten wusste ich mir nicht mehr zu helfen und vermisste meine Mutter sosehr das ich sie anrief und sie brachte mich glücklicherweise zu meiner Oma. Mein Vater ertrug es nicht das er mit seiner Kälte keine Frau fand, und ließ seinen Frust an mir aus. Ich war die Einzigste an der er seinen Frust auslassen konnte, weil ich mich nicht wehren konnte, und ich wusste das er damit nicht aufhören würde, doch ich kehrte trotz alle dem zurück zu meinem Vater, doch nur wegen meiner über alles geliebten Katze, die ich brauchte und die mich brauchte. Seitdem hat meine Mutter dafür gesorgt, das ich eine Woche bei ihr und eine Woche bei meinem Vater war, also immer abwechselnd. So hatte ich wenigstens eine Auszeit von seiner Kälte, doch ich machte mir Sorgen was er mit Minou machte, da ich mir sehr sicher war das er seinen Frust an ihr ausließ wenn ich nicht da war, doch was sollte ich dagegen tun? Ich kam mit dem Freund meiner Mutter gut klar, doch ich zog mich immer in mein Zimmer zurück, meine Mutter hatte sowieso nurnoch Augen für ihn… ich dachte an die Zeit zurück in der sich meine Eltern anschrien und sich mit Vorwürfen überschütteten, an den Moment indem Papa mit seinen Freunden geschockt aus dem Krankenhaus kam, an den Moment indem mein Vater sagte „Sie ist heute Mittag gestorben“, an den Moment indem ich in mein Zimmer stürmte und zusammenbrach, an den Moment indem mir bewusst wurde das sie Tod ist und an den Moment an dem mein Herz anfing zu schmerzen und nicht mehr aufhörte…
Ich ließ meinen Spiegel hinter mir und lief langsam ans andere Ende meines Zimmers. Ich strich mit meinen Fingern über die Scheibe und blickte hinauf zum Himmel, der diese Nacht sehr klar war. Ich suchte mir den hellsten Stern und glaubte es sei Oma, die auf mich herabschaute… genauso stellte ich es mir vor, ein Teil der Seele stieg in den Himmel hinauf und wachte über die geliebten Menschen… und der andere Teil würde wiedergeboren, in einem anderen Körper, und wird erneut Liebe, Freundschaft, Vertrauen, Glück , Treue, Loyalität, Stärke und Mut fühlen, spüren und leben. Wenigstens dieser Gedanke konnte mich trösten. Natürlich wusste ich nicht ob das stimmte, doch schon der kleinste Funke Hoffnung das das Möglich war beruhigte mich. Ich erblickte den Mond, der zur Hälfte gefüllt war und mittlerweile dabei war, den Himmel wieder herunter zu klettern und der Sonne Platz zu machen . Meine Oma erlitt einen Schlaganfall und lag in einem Wachkomma, bis die Ärzte uns erklärten das es keinen Sinn mehr macht sie am Leben zu erhalten… ich war froh das ich mich am Abend zuvor nochmal von ihr verabschieden durfte und das ich, als sie es geschafft hatte, nochmals in das Krankenhaus durfte um mich ein letztes Mal in ihren Arm zu legen und es fühlte sich so an als wäre alles wie früher, als ich ganz traurig war, sie mich in den Arm nahm und mir leise zuflüsterte „Das ist garnicht so schlimm wie du jetzt denkst!“, doch das flüsterte sie nicht, das würde sie niewieder flüstern weil sie Tod war… ich hoffte das ich gleich ihre warme, vertraute Stimme hören würde doch diese Hoffnung wurde enttäuscht, dieser Wunsch. Doch selbst wenn sie es gesagt hätte, hätte es dies Mal nicht gestimmt, denn es wurde schlimmer als ich dachte viel, viel, viel schlimmer...

Mein Vater stürmte in mein Zimmer, ich lag unter meinem Hochbett, wo ich mir eine Matratze mit Kissen überschüttet als Fluchtort eingerichtet hatte. Er zerrte mich heraus und ich schnappte kurz nach Luft. Ich ließ einen kleinen Schreckensschrei los und verstummte dann… Er erhob seine Hand und schlug zu… einmal… zweimal… dreimal… ich wimmerte wehrlos… doch er schlug nur noch Stärker zu… währenddessen schrie er auf mich ein… doch ich verstand nichts. Meine Ohren waren vor Schreck wie betäubt ich hörte nur Rauschen um mich herum… Ich verstand einige Bruchteile wie „Alles deine Schuld“, „Miststück“, „unnütze Schlampe“… Er prügelte auf mich ein… weiter… weiter… bis ich meinen Körper nicht mehr spürte… Er traf mich an der Schläfe und ich ging sofort zu Boden… mir wurde schwarz vor Augen… 
Als ich aufwachte spürte ich meinen Körper wieder… schmerzvoll… ich blickte über meinen Körper der von grünen und blauen Flecken nur so übersät war… Mein Arm war grausam geschwollen und ich war noch so geschockt das ich nicht einmal mehr weinen konnte… ich lag allein in meinem Zimmer…
Es war mittlerweile eine Woche vergangen und ich war bei meiner Mutter und ihrem neuen Freund… ich hatte mich komplett zurück gezogen… sprach nur noch einige Worte und traute niemandem mehr über den Weg. Vorallendingen bei Männern die mir auf der Straße begegneten schreckte ich zurück und machte immer einen weiten Bogen… Ich musste heute wieder zu meinem Vater… in den folgenden Tagen als ich nach der ersten Prügel bei meinem Vater war, sprach er nicht mehr mit mir… er wurde gekündigt und gab mir nicht nur die Schuld das Mama uns verlassen hatte sondern auch das er gekündigt wurde… ich konnte mit niemandem mehr darüber reden denn sonst musste ich von meinem Vater weg… und das heißte auch weg von Minou… und das würde ich niemals zulassen… das Minou diesem Mann ausgesetzt war. Ich trug in der Schule immer lange Sachen, egal wie heiß es war um meinen blauen Körper zu verstecken der bei jeder Bewegung schmerzte, doch ich ignorierte es… für Minou dachte ich mir immer… ich werde das schaffen für Minou… doch gleichzeitig wusste ich tief im inneren das es so nicht weitergehen konnte… Die Schläge waren schlimm doch noch schlimmer war der Blick den mir mein Vater Tag für Tag voller Abschaum und Verachtung zuwarf… 
Ich stand wieder einmal vor meinem mittlerweile Verhasstem Spiegel, der mir einen, meiner Meinung nach viel zu fetten Bauch zeigte. Ich drehte und wendete mich und beobachtete dabei meinen Bauch, meine Hüfte und meine Talje. Unterhalb meines Bauchnabels war ebenfalls ein kleiner Leberfleck der mich nicht weiter störte. Was mich störte war meine inzwischen gewonnen Breite und meine wahnsinnig breiten Hüften, ebenso mein Arsch. Ich hielt es nicht mehr aus mich anzusehen und drehte mich abrupt um… ich stürmte in die Küche, füllte ein Glas mit Wasser und schüttete Unmengen Salz hinein, ohne darüber nachzudenken schüttete ich mir die Salzige Flüssigkeit in den Mund, ich schluckte… nach etwa fünft kurzen Minuten übergab ich mich… mein Bauch zog sich zusammen und leerte sich in wenigen Sekunden… der eklige Geschmack von salziger Kotze lag mir im Munde und ich spülte mir Sprudel alles weg… ich fühlte mich schlecht, doch gleichzeitig erleichtert… ich aß in der Schule nicht mehr und Zuhause stopfte ich Toastbrot und Honig in mich hinein… danach trank ich die Salzlösung… Es war ein schönes Gefühl alles Essen zu können ohne Sport zu machen… und zu hungern… einfach dünn zu sein… Ich machte weiter… weiter… weiter… immer weiter. Mein Spiegelbild war dünner geworden doch ich wurde nicht glücklicher, weder glücklicher weil ich viel dünner als der Durchschnitt war, noch von dem, alles Essen zu können… Ich trat wieder einmal vor meinen Spiegel indem ich mittlerweile einen knorrigen, abgemagerten Körper erblickte… er schmerzte überall aber es war für mich schon so natürlich das ich den Schmerz noch nicht einmal sosehr merkte… mein Vater schlug mich fast täglich und mein Körper hatte schon lange nichts mehr mit Schönheit zu tun… Und zum ersten Mal seit ich denken kann, wurde mir klar das es im Leben nicht darauf ankommt ob man dick, dünn, schwarz, weiß, gelb oder schwarzblau gestreift ist, was man trägt oder was man sieht sondern auf die Ausstrahlung und auf das Gefühl, auf die Liebe und auf die Freundschaft und auf alles was jemanden ausmacht! Und mit dieser Erkenntnis war es mir plötzlich egal, dick oder dünn zu sein oder das ich immer lange Pullover trug, um meinen blau-grünen Körper zu vertuschen, doch ich konnte nicht damit aufhören, ich konnte nicht mit dem Spucken aufhören, sosehr ich es auch versuchte, mein schlechtes Gewissen nach der noch so kleinsten Mahlzeit blieb… ich musste es einfach tun…
Ich stapfte müde zur Schule, es war in der Zwischenzeit Winter geworden und ich hatte größte Mühe meinen mittlerweile so schwachen, matten und knochigen Körper zu verstecken… Ich fror am ganzen Leib und schob mir meine Wollmütze noch tiefer in mein blasses Gesicht. Ich schwankte und meine Sicht wurde getrübt und verschwommen. Ich spürte wie meine Beine langsam zusammensackten und ich auf den harten Ter prallte. Stille. Totenstille. Ich öffnete meine Augenlieder leicht… ein kleiner Lichtschein, eine Stimme „Bullemie, extreme Unterernährung, Schläge, Gewalt, Schwäche, Krankheit…“ mir wurde schwarz vor Augen… Als ich sie wieder öffnete sah ich erst verschwommen, dann klarte sich meine Sicht auf. Meine Mutter, sie saß neben meinem Bett. Als sie erkannte das ich meine Augen geöffnet hatte fing sie an zu weinen und stürzte zu mir. Ich wollte etwas sagen, doch aus meinem Mund kam kein einziger laut. Wenig später öffnete sich die Türe und Unmengen von Ärzten und Krankenschwestern kamen in den besch-weißen Raum hinein. Überall an meinem Körper waren Schläuche angeschlossen. Ich fiel erneut in einen sanften Schlaf und bekam nichts mehr von dem ganzen Trubel mit. Einige Wochen später, kehrte meine Kraft zurück. Mein Körper war zu schwach, da ich zu wenig gegessen hatte. Durch meinen Aufprall und meine schon vorhandenen Verletzungen sind mehrere innere Blutungen entstanden. Ich fiel ins Komma, 3 Monate, 2 Wochen und 18 Stunden um genau zu sein. Ich stand kurz davor zu sterben. Mir ging es besser und ich wurde nachdem mein Gesundheitszustand stabil war in eine Spezialklinik gebracht um meine Bulimie zu behandeln. Mir ging es besser, besser, besser. Minou wohnte bei meiner Mutter, während mein Vater in eine Psychiatrische Einrichtung gebracht wurde, wo er eine Therapie machte. Eigentlich könnte alles gut, sogar schön werden, doch trotz allem… Die Leere die ich seit Monaten hatte, der Schmerz, die Trauer, sie blieben… obwohl ich aß, obwohl ich Lachen konnte, obwohl ich mich sicherer fühlte, obwohl ich nicht mehr geschlagen wurde, obwohl es Minou gut ging und ich sie oft besuchen durfte… 
Ich hatte meinen Körper seit meinem Zusammenbruch nicht mehr angesehen, doch heute wollte sich meine Therapeutin mit mir die Bilder meines Körpers ansehen, als ich noch in der Spezialklinik war. Ich überlegte mir wie ich dem aus dem Weg gehen konnte, aber mir fiel nichts ein und früher oder später musste ich mir die Fotos ansehen, das wusste ich genau. Ich saß auf den edlen Stühlen, die gemütlich gepolstert waren. Meine Therapeutin, Anna, schob mir eines der Bilder vor, sodass ich es sehen konnte. Beim Anblick dieses verschrumpelten, mit Blutergüßen überströmten Körper, dessen Knochen sichtbar waren wurde mir Schlecht. Neben dem Körper erblickte ich unmengen von Maschinen und Medikamenten die bereitstanden. An den Maschinen waren Schläuche angeschlossen die zu dem matten und schwachen Körper führten. Mein Atem stockte und ich konnte mir nicht vorstellen das ich das hier gewesen sein sollte. Und plötzlich wurde mir das ganze Ausmaß des Geschehens bewusst und ich konnte endlich weinen, weinen , weinen. Alles was schon seit Monaten in meinem inneren festsaß setzte sich in Bewegung und mein ganzes Gesicht wurde von Tränen überströmt. Die Therapeutin nahm mich mitfülend in den Arm und hauchte mit leiser Stimme: „Es ist schrecklich das einem so kleinen und wehrlosem Mädchen, etwas so grausames, etwas so schlimmes geschehen musste, aber es wird besser, irgentwann wird es besser und du wirst vergessen.“ Ein warmer Nebel hüllte mein verletztes Herz ein und ich spürte für einen kleinen Moment fast so etwas wie Geborgenheit.

Wenige Wochen später, als ich an Gewicht zugelegt hatte und meine blauen Flecken großteils verheilt waren, durfte ich die Schule der Einrichtung besuchen. Ich musste dennoch Medikamente zu mir nehmen und wurde ständig beim Essen beobachtet. Es fiel mir schwer aufzuhören gleich nach jedem Essen alles wieder auszuspucken aber hier gab es keine andere Wahl, auch wenn es so war als könnte ich nichts mehr essen- ich musste. Ich hoffte insgeheim das sich in der Schule Möglichkeiten ergaben um ein paar der lästigen Kalorien wieder zu verlieren die ich mir angefressen hatte. 
Als ich in die Klasse trat, begrüßte mich unsere Lehrerin, Frau Casem, freundlich und zeigte mir meinen zukünftigen Platz neben einem goldblonden Mädchen, Shelly, die mich ebenfalls freundlich anlächelte. Ihr Körper war fast genauso dünn wie meiner und ich hatte das Gefühl das sich hinter ihrem Lächeln, etwas Verletztes, Geschocktes verbarg. Ihr Körper war so blass, das man meinen könnte sie hätte noch nie die Sonne gesehen und sie wirkte fast schon wie eine zerbrechliche Porzenlanpuppe. Ich nahm meinen Platz neben ihr ein und blickte mich in der Klasse um, während Frau Casem von Warscheinlichkeitsrechnungen sprach. Mein Blick schweifte über die Schüler und Schülerinnen in der Klasse. Überraschenderweise waren annähernd so viele Jungs in der Klasse wie Mädchen, die meisten waren mit blauen Flecken übersät. Ich tuschelte mit Shelly und sie erzählte mir, das ihre Alleinerziehende Mutter Alkeholikerin war und sie regelmäßig geschlagen hatte weil sie Shelly die Schuld daran gab, das ihr Vater sie verlassen hatte. Letztendlich bekam ihre Mutter eine Alkeholvergiftung und starb daran, wodurch die Polizei und das Jugendamt auf Shelly aufmerksam wurde. Ihre blauen tränengefüllten Augen glänzten als sie endete und ich fühlte mich neben ihr weniger alleine, weil ich spürte das ich nicht die Einzigste war die geliebte Menschen verloren hatte. Als es läutete durften wir auf den Pausenhof, den ich, als ich noch zu schwach für die Schule war immer von meinem Zimmer aus beobachtet hatte. Shelly stellte mich einigen anderen Mädchen vor, die mich alle mitfühlend begrüßten. Ich fand es schön mit anderen zu reden, denen ähnliches wiederfahren war. Mein Gedanke wieder zu spucken war verpufft. Fast alle hatten blaue Flecken oder waren fast so dünn wie ich. Mirella hatte sich sogar regelmäßig betrunken um ihre Sorgen zu vergessen. Ein abstrakter Gedanke, ich konnte mir nicht vorstellen das man sich besser fühlte wenn man eine scharfe Flüssigkeit trank. Doch für sie schien es ganz natürlich, wahrscheinlich so natürlich wie für mich das spucken. Die meisten sahen blass, matt und knorrig aus und hatten ihr Eltern teilweise oder sogar ganz verloren. Ich wusste nicht warum genau aber ich hatte großes Vertrauen zu diesen Mädchen und es fühlte sich fast wie eine kleine Familie an, weil hier jeder wusste auf was es im Leben ankam.
Meine alten Freunde durften mich nun auch endlich besuchen, da mich der Arzt für stabil erklärte. Amelie hatte ich am meisten vermisst weil sie immer für mich da gewesen ist, egal wie schlecht es mir ging, auch wenn ich mich ihr nicht immer anvertrauen konnte. Ich erzählte von Shelly und meinen anderen neu gewonnenen Freundinnen und über die tragischen Geschichten die hier jeden verband. Wir plauderten Stunden und lachten. Sie erzählte mir wie es meiner alten Klasse ging und dass sie jetzt mit Tobi zusammen sei, außerdem standen sie kurz vor den Abschluss Prüfungen, weswegen sie mich nicht mehr so oft besuchen konnte weil sie lernen musste Was ich verstand, doch trotzdem lief es mir kalt den Rücken herunter, bei dem Gedanken sie längere Zeit nicht zu sehen, doch ich hatte ja Shelly, obwohl es kein Vergleichwar. Außerdem staunte ich und freute mich auch für sie das es nun endlich mit ihr und Tobi geklappt hatte, obwohl ich ein klein wenig eifersüchtig auf ihr Glück war, doch ich gönnte es ihr in vollen Zügen. Die Zeit verging viel zu schnell und kaum hatte sich die Tür hinter ihr geschlossen vermisste ich sie schonwieder. Nach einigen Tagen durfte ich sogar ins Internat mit Shelly in ein Zimmer ziehen da ich meine Medikamente, die ich noch brauchte in Form von Tabletten einnehmen konnte und nicht mehr überwacht werden musste. Plötzlich hörte ich einen lauten, schmerzerfüllten Schrei. Ich schreckte hoch und blickte mich um. Der Schrei kam gegenüber von mir. Es war Shelly die unter Tränen stand. Ich stand schläfrig auf um barfüßig zu ihr zu tappen und sie in den Arm zu nehmen. „Meine Mutter, meine Mutter“ schluchzte sie und ich drückte sie fester an mich. „Schsch, alles wird gut, und wenn es nicht gut ist dann ist es nicht das Ende“ flüsterte ich sanft. „Hast du nie Träume? Träume über geliebte Menschen, Albträume über deine Ängste?“ Ich überlegte kurz, doch ich hatte nicht geträumt, nur als kleines Kind, doch seit Omas Tod hatte ich keine Träume mehr. Also schüttelte ich den Kopf. Sie blickte mich verständnislos an. „Jeder träumt um seine Erlebnisse zu verarbeiten“ hauchte sie „Um zu vergessen“ schloss sie. „Vielleicht kann ich nicht verarbeiten, nicht vergessen“ hauchte ich mit zittriger Stimme zurück. Shelly drückte sich mitfühlend fester an mich und legte sich neben mir wieder in ihr warmes Bett. Ich legte mich neben sie und genoss ihre Nähe und Wärme. Doch selbst Stunden nachdem Shelly angefangen hatte leise Schnarchlaute von sich zu geben konnte ich nicht einschlafen. Warum träumte ich nicht? Natürlich hatte ich schon oft gehört dass man mit Träumen verarbeitet, seine Erlebnisse aufarbeitet… Warum tat ich das nicht? Mir war noch nie aufgefallen das ich nicht träumte und es hatte mich auch nicht gestört… doch jetzt… machte ich mir schon Gedanken…Und auch das Shelly solche Albträume hatte, hätte ich nie gedacht, sie wirkte so stark in der Schule und man merkte gar nicht das sie innerlich so zerstört war.
Ich hatte meine erste Englisch Arbeit geschrieben und eilte mit Shelly gerade in die Pause, der man die Nacht vorher gar nicht mehr anmerkte, da sie wieder ganz die alte selbstbewusste Freundin war, als mir ein Junge an meinem ehemaligen Zimmerfenster auffiel, dessen Blick über den Schulhof schweifte. Ich beobachtete sein ovalförmiges blaßes Gesicht indem sich dicke dunkle Lippen befanden die er bedrückt zusammenbiss. Seine dunkelbraunen Haare, fast schwarz, fielen ihm in seine Himmelblauen Augen. Ich blickte ihm direkt in seine wunderschönen Augen die matt glänzten, er erwiederte meinen Blick und unsere Blicke verwoben sich für einige Herzschläge. Es läutete und Shelly zerrte mich in unseren Klassenraum während sie mich amüsiert anlächelte. Ich lächelte ebenfalls als Antwort. 
Am nächsten Tag kam es mir unendlich lange vor bis endlich Pause war, aber das lag warscheinlich daran, dass ich immer auf die Uhr schaute und in den letzten Minuten meinen Blick an den Sekundenzeiger geheftet hatte. Als es endlich läutet stürmte ich hinaus, Shelly hinter mir. Ich suchte die Fenster ab bis mein Blick den Jungen fand der gelassen hinunter blickte. Sein Blick huschte suchend über den Schulhof bis er mich entdeckte. Ich blickte ihm tief in seine Augen und genoss seine Wärme, die er in mir auslöste. Sein Einfluss auf mich überraschte mich. 
So ging es einige Tage, bis ich morgens mit Shelly zur Schule lief. Wir setzten uns auf unsere Plätze und Frau Casem trat mit einer muskulösen Person, dessen Körper von blauen Flecken überschattet war in unseren Klassenraum. Mein Herz klopfte. Ich erkannte sein markantes Gesicht, seine weichen Gesichtszüge. Ich erkannte seine geschmeidigen Bewegungen, seine Wärme die er in mir auslöste. Sein warmer Blick ruhte auf mir während Frau Casem verkündete. „Und das ist Gregor, euer neuer Mitschüler…“ Ich hörte nicht mehr zu, denn ich konzentrierte mich auf etwas ganz anderes. Gregor wirkte etwas schüchtern und er strahlte eine beruhigende Ruhe aus. Er bewegte sich eilig zu seinem neuen Platz, neben Louis, einem braungebräunten Afrikaner. Ich konnte den Blick nicht von ihm lassen und drehte mich immerwieder zu ihm um. Shelly kicherte.. Er saß diagonal, zwei Reihen vor mir und ihm schien es genauso zu gehen denn er drehte sich ebenfalls ständig zu mir um. 
Mein Herz klopfte aufgeregt als wir wenige Tage später zusammen zu einer Gruppenarbeit eingeteilt wurden. Es hatte sich bisher keine Gelegenheit ergeben miteinander zu sprechen, denn wir waren beide zu schüchtern. Ich nuschelte ein verlegenes Hallo, ich bin Eileen! Und er antwortete ebenso verlegen Hallo, ich bin Gregor, wobei er versuchte selbstbewusst zu wirken. Das Gespräch verlief anfangs etwas monoton, doch das Eis war schnell gebrochen und wir lachten, und zum ersten Mal war mein Lachen nicht vom Munde sondern vom Herzen. Er blickte mir tief in die Augen und neckte mich, währendessen er geheimnissvoll und liebevoll lächelte. Ich lächelte zurück und es hätte ewig soweiter gehen können doch plötzlich hörte ich wie die Türklinke hinuntergedrückt wurde und sich die Zimmertür öffnete. Unsere Leiterin trat hinein, ihre Miene war düster. Sie nickte unserer Lehrerin zu und trat vor die Klasse. „Einige von euch haben sicher bemerkt das Naomi in den letzten zwei Tagen weder in der Schule noch im Wohnhaus war.“ Sie legte eine Pause ein. „Die Polizei hat ihre Leiche nahe der Legnue Schlucht gefunden“ hauchte sie mit zitternder Stimme, die sie versuchte zu verbergen. Sie schwieg, unfähig diese Nachicht weiter auszuführen. Mir stockte der Atem vor Schreck und das Glück das ich gerade noch verspürt hatte verpuffte. Ich hatte natürlich mitbekommen das Naomi verschwunden war doch das sie… Tod war… das hätte ich niemals gedacht. Ich hatte gedacht sie wäre abgehauen zu ihrer Oma bei der sie oft war. Ich hatte sie nicht sonderlich gut gekannt, sie war jedoch immer stehts offen und freundlich gewesen. Die Mädchen die enger mit ihr befreundet waren schnappten nach Lust oder ließen leise Schluchzer von sich. Auch ich hatte mit den Tränen zu kämpfen und Gregor griff nach meiner Hand. Ich spürte seine Wärme, sie konnte den Schmerz nicht zerstören, doch er konnte ihn lindern. Und ich weiß nicht wie, doch es fühlte sich nicht so schlimm an wenn er da war. Auch Shelly schob sich durch das Gedränge von Weinenden und Trauernden zu mir durch. „Es ist nicht selten das Mädchen sich umbringen weil sie zu labil sind und keiner merkt, dass sie Rückfälle haben. Wenigstens ist sie jetzt bei ihren Eltern“ hauchte sie mit zitternder Stimme. „Selbstmord?“ fragte ich mit monotoner Stimme und Shelly nickte nur. Ich lehnte meinen Kopf wie selbstverständlich an Gregors Schulter und er flüsterte mir tröstende Worte zu. Ich genoss seine Nähe und spürte wie er sich ebenfalls gegen mich lehnte. Es läutete und ich konnte mich nur schwer von Gregor lösen. In den folgenden Tagen lief alles etwas monoton ab und es war als würde die ganze Einrichtung um Naomis Verlust trauern. Gregor und ich verbrachten fast jede freie Sekunde miteinander und Shelly wurde fast eifersüchtig das ich so viel Zeit mir ihm verbrachte, wobei ich doch versuchte auch bei Shelly zu sein, doch das mit Gregor… er war so anziehend… wie ein Magnet… wenn er im Raum war, war alles unwichtig, bei ihm war alles so einfach, so leicht. Nichts mehr erschien von Bedeutung… es war wie eine Droge wenn er da war… Man vergaß Sorgen, Lasten, Trauer, Schmerz, einfach alles. 
Wir standen zusammen auf dem Schulhof und unsere Hände verwoben sich langsam ineinander. Er lächelte und ich spürte wie sein Gesicht meinem näher kam. Seine weichen Lippen kniffen sich kurz verlegen zusammen, bevor sie meine berührten, erst leicht, dann stark. Ich öffnete meine Lippen leicht und schloss meine Augen. Um mich herum wurde es leisen und ich genoss mein neu gewonnenes Glück in vollen Zügen. In meinem Bauch flatterten tausende, bunte Schmetterlinge und mir war ganz warm.„Hör nimals damit auf“ hauchte ich liebevoll zwischen den Küssen. „Mit was denn?“ fragte er spielerisch und küsste mich weiter. „Ich liebe dich“ flüsterte er mit tiefer, dunkler liebevollen Stimme. „Ich liebe dich auch, ich liebe dich sosehr“ ich küsste ihn weiter, intensiver. Es klingelte und wir mussten wieder in unsere Klasse. Shelly stieß zu uns und flüsterte mir mit leiser amüsierter Stimme zu. „Was war das denn?“ ich lächelte. 
Ich strich ihm mit meinen weichen Fingern zart über einen fast verheilten blauen Fleck. Ich hatte mich bisher nicht getraut ihn zu fragen, doch es war unumgänglich. „Wer hat das getan?“ fragte ich mit fester weicher Stimme. Seine Miene verdüsterte sich doch er antwortete „Mein… mein Vater…“ er stockte „Meine Mutter ist vor einem Jahr gestorben und es hat ihn kaputt gemacht das sie nicht mehr da war. Er schlug zu, mehr, mehr, mehr. Er verprügelte mich blau und grün bis ich nach einer Prügel ohnmächtig wurde... dann…“ „Schsch“ ich strich ihm über seine weichen Lippen und küsste ihn um ihm zu zeigen das ich ihn liebte, das ich ihn liebte, sosehr. Er küsste mich ebenfalls und brach dann ab. Er blickte mir nun in meine Augen und ich wusste was er wissen wollte. Ich hauchte meine Geschichte mit ausgetrockneter Stimme und er nahm mich dabei in den Arm. Ich spürte seinen warmen, muskulösen Körper und ich fühlte mich so sicher, so geliebt, so wertvoll. Es war das schönste Gefühl das es auf der Welt gab, das schönste in meinem ganzen Leben. Er war das Beste was mir je hätte passieren können.

Ich lag mit Gregor auf meinem Bett und kuschelte mich an ihn während wir zusammen unsere Physik Hausaufgaben machen, als es klopfte. Die Türklinke wurde hinuntergedrückt und eine Betreuerin kam herein und übergab mir einen Brief ohne Absender. Gregor blickte mich verwundert an und ich blickte ebenso verwundert zurück. Ich richtete mich auf und nahm den Brief entgegen, unsere Betreuerin verließ das Zimmer. Ich riss den bunt verzierten Briefumschlag mit meinen Fingern rücksichtslos auf und zog ein, mit Blumen verziertes Blattpapier heraus:
 
 
Liebe Eileen,
ich wollte mich bei dir entschuldigen… für das, was ich dir angetan habe… ich war geblendet von Wut und Trauer und das ist mir erst jetzt bewusst geworden… Ich werde noch einige Zeit in dieser Psychologischen Einrichtung verbringen und versuchen mein Verhalten zu ändern… Ich würde dich gerne sehen, vorausgesetzt du möchtest das auch, doch ich würde es auch verstehen, wenn du mir nicht mehr vertraust. Ich habe wirklich schreckliche Dinge getan und gesagt und ich hoffe du kannst mir irgendwann verzeihen,,, vielleicht mit etwas Zeit… 
Ich liebe dich, und du bist das Wichtigste in meinem Leben, du bist mein Fleisch und Blut, das hatte ich vergessen, weil ich viel zu sehr mit mir selbst beschäftigt war… 
Ich würde mich sosehr auf eine Antwort von dir freuen… ich vermisse dich sosehr und kann es kaum erwarten dich in meine Arme zu schließen… die Zeit in der du in der Klinik und in der Einrichtung verbracht hast, die Zeit in der ich dich nicht sehen durfte, die Zeit in der es Ungewiss war ob du es schaffen würdest hat mir gezeigt wie sehr ich dich brauche und Liebe und wie wertvoll du bist, wie besonders! Ich konnte und durfte dir nun endlich diesen Brief schreiben, und ich erwarte nicht das du mich verstehst- das kann ich nicht erwarten, doch ich werde immer darauf hoffen das du mir irgendwie, irgendwann verzeihen kannst…
In Liebe dein Vater
 
Ich laß die einzelnen Zeilen langsam und aufmerksam. Stille. Man hörte nur meinen Atem der laut und unregelmäßig war. Gregor lächelt. Ich lächelte nicht. Ich wusste nicht wie ich reagieren sollte und murmelte nur „Ich brauche Zeit, ich brauche Zeit um zu vergessen“ Er nickte nur stumm und kuschelte sich enger an mich. Ich sank wieder zurück in mein Bett und blickte nachdenklich in die Ferne.
Ich dachte in den folgenden Tagen oft über meinen Vater nach, über das was geschehen war. Und über das, was ich wollte… wollte ich ihm einen Antwortbrief schreiben? Wollte ich mich mir ihm Treffen… konnte ich mich mit ihm treffen? Konnte ich vergessen, vergeben und verzeihen? Immer wieder dieselben Gedanken… 
Ich schrieb Brief für Brief, doch jeder landete früher oder später im Müll. Doch nach etlichen Stunden, etlichen Gedanken und etlichen Überlegungen hatte ich doch einen Brief verfasst:
 
 
Geliebter Papa,
ich weiß nicht ob ich jemals vergessen kann was zwischen uns passiert ist und auch nicht ob ich dir jemals verzeihen kann… mir fällt es schwer diesen Brief zu schreiben und ich habe viel darüber nachgedacht ob ich dich treffen möchte… ob ich es kann… und ich habe mich entschieden dir noch eine Chance zu geben, doch bitte… vergeude sie nicht… ich werde Zeit brauchen, wir werden Zeit brauchen um uns wieder anzunähern und Vorallendingen braucht unser Vertrauen Zeit. 
In Liebe
Eileen
 
Diese Zeit hatten wir nicht mehr… wir hatten keine Zeit mehr uns eine zweite Chance zu geben, unserem Vertrauen, unserer Liebe. Ich war unfähig gewesen diesen Brief in den Briefkasten zu werfen. Ich hatte Angst, Angst vor meinem Vater, Angst was passieren würde wenn wir uns wiedersahen, Angst vor seiner Reaktion auf mich, Angst vor seinem Verhalten, Angst vor allem. Ich war noch nicht bereit, doch eigentlich war ich für nichts im Leben bereit, für keinen einzigen Verlust, für keinen einzigen Tod. Und das war das Schlimme am Tod… dass er unerwartet, ungewollt, ohne Vorhersage kam, ohne dass man der Person noch sagen konnte wie sehr man sie geliebt hat… ohne dass man ihr sagen konnte wie sehr man ihr dankbar für alles was sie getan hatte war, ohne dass man sagen konnte wie sehr man sie gebraucht hatte, ohne dass man sich Verabschieden konnte…
Mein Vater war nicht mehr in der Psychiatrischen Einrichtung gewesen, sondern im Krankenhaus, das bekam ich aber erst später mit nachdem es schon zu spät war. Hätte er mir doch gesagt das er Sterbenskrank war… vielleicht hätte ich schneller vergessen können… vielleicht hätten wir unsere Liebe wieder aufbauen können… vielleicht hätte ich ihm sagen können das ich ihn trotz allem Liebte… vielleicht hätten wir die Zeit die er noch hatte nutzen können… doch letztendlich läuft alles auf dasselbe hinaus…. Vielleicht… hätte… Ich konnte mich nicht mehr von ihm verabschieden… er wusste noch nicht einmal mehr das ich uns eine zweite Chance geben wollte… geschweige denn das ich ihn liebte… und das war das schlimmste… das ich annehmen musste, dass er mit dem Gedanken gestorben war, das ihn seine eigene Tochter hasste und ihn nicht mehr sehen, nicht mehr hören, nicht mehr spüren wollte. Vielleicht hätte er sonst besser gegen den Krebs kämpfen können wenn er mehr Lebenswille gehabt hätte… Denn die Krankenschwester erzählte mir das er am Ende garkeinen Willen mehr hatte zu leben, gar nichts mehr wollte… nur mich, denn er hatte, als er im Sterben lag immer wieder meinen Namen gesäuselt. Mein Herz schmerzte als ich das hörte… Meine Mutter versuchte mir alles vorsichtig und behutsam zu erklären und obwohl sie sich größte Mühe gab, gab es nur einen auf der ganzen Welt, der meinen Schmerz lindern konnte: Gregor. Ich riss mich von ihr los und stürmte in sein Zimmer. Er setzte seine Kopfhörer ab und nahm mich einfach nur in den Arm… er roch so süßlich und beruhigend und ich schluchzte… „Ich konnte ihm nicht mehr sagen das ich ihn geliebt habe… ich konnte Papa nicht mehr sagen das ich ihn geliebt habe, sehr sogar…“ Ich hustete und er strich mir sanft über meinen Rücken. „Tief im Inneren hat er gewusst wie sehr du ihn geliebt hast“ versicherte er mir, doch das überzeugte mich nur wenig. Doch ich ließ es mir nicht anmerken da ich nicht mir Gregor streiten wollte sondern einfach nur seinen süßlichen Duft genießen wollte, seine Wärme und seine Liebe. Mein Herz schmerzte nicht mehr ganz so schlimm je länger ich bei ihm war und ich beruhigte mich allmählich… „Kann ich heute Nacht bei dir schlafen?“ fragte ich mir gefassterer Stimme. Er nickte nur selbstverständlich und lächelte dabei. 
Das Leben ging weiter, ob man es nun wollte oder nicht… ich versuchte jeden Tag so gut wie möglich abzuschließen und nie lange sauer zu sein, schnell zu verzeihen, denn man wusste nie wie lange man noch Zeit hatte. Das war mir eine Leere für mein Leben. Gregor war auf die Beerdigung meines Vaters mitgekommen und hatte mich die ganze Zeit in seinem Arm gehalten. Ich war ihm so dankbar, für alles was er mir gab, denn er war der Einzige Mensch, dem ich bedingungslos vertraute, der meinen Schmerz lindern konnte, der mir das Gefühl gab etwas ganz Besonderes und Wertvolles zu sein und mir das Gefühl gab das es immer, immer, egal was auch Passierte weiterging.
Wie zu erwarten musste ich erneut zu meiner Therapeutin, doch sie konnte meine Ängste und Sorgen nicht verstehen... Ich wurde schnell wieder freigegeben da ich keine Depressiven Anzeichen hatte. Wenige Tage später klopfte es an meiner Tür und Gregor trat mit ernster Miene wenige Herzschläge ein. Ich spürte das er sehr angespannt war und blickte ihn fragend an. „Ich muss… ich muss dir etwas sagen.“ Er legte eine Pause ein. „Ich habe mich mit meinem Vater getroffen und…“ Ich unterbrach ihn. „Das ist doch wunderbar, ich verstehe nicht warum…“ Nun unterbrach er mich. „Hör zu! Es war nicht das erste Mal das wir uns getroffen haben, ich wollte dir keine Angst machen, kurz nachdem dein Vater gestorben war… aber er hat sich geändert und er will…“ Ich wusste was er mir nun sagen würde, er würde mir sagen das sein Vater und er wieder zusammenziehen würde und er mich hier alleine lassen würde und ich niemanden mehr hatte der meinen Schmerz lindern konnte, niemanden mehr der mich so liebte, niemanden mehr bei dem ich mich so wertvoll fühlte niemanden… Er unterbrach meine Gedanken und wischte mir eine Träne von meiner Wange. „Das bedeutet doch nicht dass…“ „Doch! Genau das bedeute es!“ schrie ich wütend und verzweifelt. „Du wirst mich vergessen, doch wirst ein glückliches Leben führen während ich hier eingesperrt bin… du wirst eine neue, bessere und schönere als mich finden und mich verlassen, weil ich dann deiner Meinung nach eine zerstörte Verrückte bin…“ fauchte ich voller Verzweiflung und heulte laut auf. „Nein, was redest du da nur für einen Stuß… du bist die Einzige für mich, und das wirst du auch immer bleiben! Und wenn ich nicht mehr hier bin, heißt das doch nicht das ich aus der Welt bin! Ich werde immer für dich da sein, weil ich dich liebe“ ich fiel ihm ihn die Arme und meine Verzweiflung siegte. „Nein, bitte nicht, geh nicht. Ich brauche dich, ich liebe dich“ bettelte ich voller Verzweiflung.
Gregor war jetzt seit genau zwei Wochen bei seinem Vater und besuchte mich in jeder freien Minute. Er würde bald seinen Abschluss machen, doch selbst das hielt ihn nicht auf ständig bei mir zu sein. Ich hatte mich nicht getäuscht, denn wir verbrachten in der Tat weniger Zeit miteinander, doch das machte jeden einzelnen Moment sehr wertvoll und besonders. Unsere Liebe wurde auf eine harte Probe gestellt, doch wir blieben uns treu. Selbst Shelly hatte nun auch ihr „Liebesglück“ in Jonas gefunden der seit einigen Monaten bei uns war.
 
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